Wie Bündner Hirschblasen den Berner Boden beleben.

 

 

 

 

Der Puschlaver Luciano Zanolari, stellt pflanzliche Präparate her – und zählt dabei auf die Bündner Jägerschaft, denn für eines seiner Mittel benötigt er getrocknete Organe von Hirschen.

Für gewöhnlich nimmt eine Jägerin oder ein Jäger die Harnblase von einem erlegten Hirsch nicht mit, sondern lässt sie mit den Eingeweiden
im Gelände zurück. Denn das Organ ist wertlos. Für Luciano Zanolari aber sind Blasen von männlichen Hirschen kostbar.

In einem wochenlangen Prozess stellt er darin ein biodynamisches Präparat her. Und dieses wiederum wirkt vitalisierend auf den Boden,
lässt Kompost schneller verrotten und macht Pflanzen anpassungsfähiger. Dazu muss man wissen: Präparate spielen in der biodynamischen Landwirtschaft
eine wichtige Rolle. Die speziell zubereiteten Substanzen werden in homöopathischen Dosen, also in sehr kleinen Mengen, eingesetzt, und zwar auf Böden, Pflanzen und organischen Düngern. Sie haben die Aufgabe, dem natürlichen Geschehen aufbauende Impulse zu geben. Denn die biodynamische Landwirtschaft, die
auf Rudolf Steiner zurückgeht, sieht einen landwirtschaftlichen Betrieb als lebenden Organismus. Boden, Pflanzen, Tiere und Umwelt sind darin miteinander
verbunden. Und um die gesunde Beziehung zwischen diesen Elementen zu fördern, werden eben Präparate eingesetzt. Meist wird dafür mineralisches,
pflanzliches und tierisches Material miteinander kombiniert. Und damit sind wir wieder bei der Hirschblase.

Für das sogenannte Schafgarbenpräparat 502 füllt Zanolari eine getrocknete Hirschblase mit Schafgarbenblüten.Einen ganzen Sommer lang wird die Blase nun an einem sonnigen Platz aufgehängt und im Winter in der Erde vergraben. Fertig ist das Präparat im darauffolgenden Frühling. Dann wird die Hirschblase wieder ausgegraben.

Hirschkraft im Pflanzensaft

«Das Schafgarbenpräparat begünstigt ein kräftiges Wachstum», erklärt Zanolari.

«Es entwickelt eine kraftvolle, positive und gesunde Energie. Und das überträgt sich eben auf Tiere, Pflanzen, Luft und Erde.» Der gebürtige Puschlaver ist Bauingenieur. Am Plantahof in Landquart und an der biodynamischen Schule in Rheinau hat er sich zusätzlich zum Landwirt ausbilden lassen.

Heute führt er neben seiner Arbeit als Planer und Bauherrenvertreter einen kleinen Hof im Emmental. Dort stellt er seit fünf Jahren biodynamische Präparate her. Und er gehört auch einer schweizweiten Gruppe von Präparateherstellern an. Zanolari ist überzeugt: «Alles im Universum ist Energie in Form von Wellen. Und jede Energie ist ein Informationsträger.»

Waschen, aufblasen, abschicken

Wie die Mittel wirken, beobachtet Zanolari seit 25 Jahren. Etwa im Weinberg seines Bruders Marcel, der seit Jahrzehnten auf Demeter setzt. Zu dessen Wein sagt er: «Er behält auch nach Tagen in einer angebrochenen Flasche seinen intensiven, lebendigen Geschmack.»

Noch stellt Zanolari seine Substanzen in kleinem Rahmen her. Er möchte die Produktion aber ausbauen und die Mittel auch an Landwirte, Gärtnerinnen und Leute mit grünem Daumen verschicken.

Rund zehn Hirschblasen pro Jahr bekommt er jeweils aus Graubünden. Sie stammen alle – und das ist wichtig – von Stieren, die mindestens zwei Jahre alt waren. Und: Die Samenblasendrüse muss noch dran sein.

Die Jäger waschen die Blasen mit kaltem Wasser aus, blasen sie mit einer Luftpumpe auf und hängen sie rund drei Wochen auf, bevor sie das Organ getrocknet und zusammengedrückt ins Emmental schicken. 20 Frankenpro Stück zahlt Zanolari dafür. Und wenn er im nächsten Frühling eine Anzahl zusammen hat, füllt er sie wieder mit Schafgarbenblüten, hängt sie an die Sonne – und düngt damit Pflanzen.

 

 

 

Reifeprozess: Befüllt mit
Schafgarbenblüten hängen
die Hirschblasen einen Sommer lang
an einem geschützten Ort (Bild oben rechts).
Im Herbst werden sie vergraben.

Pressebilder.

Südostschweiz, REGION, Freitag, 18. Oktober 2024